Alles hängt zusammen. Das Leben spiegelt die Kunst, und die Kunst spiegelt das Leben. Als die Pandemie 2020 die Welt erschütterte und die Grenzen kollektiver Zusammenarbeit offenlegte, nahm eine Idee, die 2018 entstand, in Groningen Gestalt an. Die Frage, wie sich „Schwere“ neu definieren lässt, führte zu sharpened.lives – einem Projekt, das journalistische Einflüsse, queere Perspektiven und intersektionale Gesellschaftsanalyse in experimenteller Musik vereint.
Wir haben Alex, Sänger, Songwriter und Frontmann von sharpened.lives, zum Interview getroffen, um mehr über ihre Kunst und ihre Vision zu erfahren. Are you ready for this?
Hey Alex, danke, dass du dir die Zeit nimmst! Vielleicht erzählst du uns zu Beginn ein bisschen, wer du bist und was es mit deinem Projekt SHARPENED.LIVES auf sich hat?
Klar, gerne! Also, ich bin Alex. Ich bin der Sänger, Songwriter, Gitarrist und Programmierer in der Band SHARPENED.LIVES. Wir sind ein Trio und ich spiele und singe zusammen mit Niklas, der Bass, Keys und Background-Gesang übernimmt, und Freddy, der an den Drums sitzt. Das Projekt wurde 2018 ins Leben gerufen, nach einer Band, die ich mit Freddy hatte, „Another Timelapse“. Wir haben das Ganze über zehn Jahre hinweg gemacht, bis es irgendwann auseinander ging. Danach bin ich nach Holland gegangen, um meinen Master in Journalismus zu machen, und dann haben Freddy und ich weitergemacht.
Interessant! Also hat das Projekt schon einige Jahre auf dem Buckel. Kommen wir mal zu eurer EP “st//tches” – die ist ja auch ziemlich abwechslungsreich. So wie ich das verstanden habe, ist es auch eine Mischung aus alten und neuen Stücken?
Genau. Einige Songs haben wir schon vor sechs Jahren angefangen und dann immer weiter ausgearbeitet. Andere sind viel frischer – die meisten wurden zwischen 2019 und 2024 geschrieben. Deswegen hat die EP so einen bunten Mix aus verschiedenen Lebensphasen und Erfahrungen. Manche Tracks sind sozusagen aus der Vergangenheit, andere sind absolut aktuell. Das merkt man, finde ich, auch im Sound.
Politik ist definitiv ein Thema, das du in deinen Texten einbringst. Du hast bereits erwähnt, dass du ausgebildeter Journalist bist. Wie sehr beeinflusst deine journalistische Ausbildung dein musikalisches Schaffen?
Es ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil meines kreativen Prozesses. Ich habe wirklich versucht, diese Verbindung zwischen meinen eigenen Erfahrungen und der politischen sowie gesellschaftlichen Dimension zu ziehen. Die EP trägt auch diesen sehr persönlichen Charakter. Die Themen, die mich als Mensch beschäftigen, fließen natürlich auch direkt in meine Musik ein.
Ich finde es spannend, wie du deine Arbeit als Musiker mit deiner Leidenschaft für Politik und Medienforschung verbindest. Das zeigt sich definitiv auch in der Musik. Es ist eine Art vierte Wand, wie du es beschreibst – du gehst nicht einfach nur in den kreativen Prozess, sondern verknüpfst alles, was du tust, mit deinen persönlichen Erfahrungen und machst das zu Musik.
Genau! Die Idee von „Everything is connected“ ist nicht nur eine Referenz an die Serie Dark, sondern auch eine Art, zu zeigen, dass mein Leben und meine Musik untrennbar miteinander verbunden sind. Die Erfahrungen, die ich in meiner täglichen Realität mache, beeinflussen den kreativen Prozess genauso wie umgekehrt, und das macht den Songwriting-Prozess für mich so besonders.
Das hört sich nach einem sehr tiefgründigen Ansatz an. Apropos tiefgründig: In deinen Songs kommen viele verschiedene Sprachen vor – Deutsch, Englisch, sogar Russisch und Niederländisch. Hat das eine spezielle Bedeutung für dich?
Ja, ich bin tatsächlich polyglott, spreche vier Sprachen fließend und einige mehr auf einem Basislevel. Das Experimentieren mit verschiedenen Sprachen im Songwriting war eine bewusste Entscheidung, weil ich mich nicht nur auf eine Sprache beschränken wollte. Es geht mir nicht nur um den Inhalt der Worte, sondern auch um den Klang und die Melodie, die sich durch verschiedene Sprachen hindurch entwickeln. Es ist eine Art, die Musik noch universeller und gefühlvoller zu gestalten.
Das klingt wirklich innovativ! Hast du das Gefühl, dass dein Publikum diese künstlerischen Elemente versteht, oder siehst du die Musik als ein Projekt, das einige vielleicht nicht sofort greifen können?
Definitiv. Als wir im Januar mit der finalen Planung der EP begannen, war uns klar, dass sie sperrig sein würde und viele Hörer*innen möglicherweise nicht sofort verstehen, was wir damit ausdrücken. Aber das war auch Teil des Ziels – wir wollten etwas schaffen, das nicht einfach konsumierbar ist, sondern das die Menschen dazu anregt, mehr darüber nachzudenken. Musik kann viel mehr sein als nur Unterhaltung, und genau das wollten wir vermitteln. Wir wollten auch die Genregrenzen bewusst aufheben und weiter experimentieren.
Deine Texte scheinen oft sehr politisch zu sein. Was sind die politischen Themen, die dich am meisten beschäftigen?
In meinen Texten geht es vor allem um soziale Themen, wie den Rechtsruck, Homophobie und Transphobie sowie den Aufstieg populistischer Gruppen und rechter Parteien. Das sind Themen, die mir sehr am Herzen liegen, besonders in Deutschland, wo wir einen Anstieg an Populismus und Spaltung in der Gesellschaft erleben. Ich beschäftige mich mit diesen Themen aus einer gewissen Distanz, weil ich glaube, dass man von außen besser darüber nachdenken kann.
Hast du jemals darüber nachgedacht, politische Themen wie den Zustand der deutschen Politik oder die aktuelle politische Lage intensiver in deinen Songs zu thematisieren?
Ich denke definitiv, dass solche Themen noch Platz in meiner Musik finden könnten. Besonders der Rechtsruck in Deutschland und die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen könnten ein zentrales Thema werden. Aber wie gesagt, ich versuche immer, die Themen aus einer gewissen Distanz zu betrachten, um sie klar und objektiv zu reflektieren, ohne zu sehr von eigenen Emotionen beeinflusst zu werden.
Du schreibst alle Songs selbst, oder?
Ja, bei dieser EP war ich der alleinige Songwriter für vier von sieben Songs. Die anderen wurden zusammen mit der Band geschrieben. Ich habe die Grundideen, also die Blueprints, mitgebracht, und dann haben wir sie gemeinsam weiterentwickelt und beim Programmieren am PC noch Parts ausgebessert. Am Ende schicken wir die Tracks an unseren Produzenten, Phil Kaase, der in Bochum sitzt.
Es klingt, als ob du einen sehr detaillierten Ansatz beim Songwriting hast. Kannst du mehr darüber erzählen, wie du deine Musik produzierst?
Auf jeden Fall. Ich verbringe oft Stunden am PC, um die Songs zu entwickeln. Ein interessanter Teil ist, dass ich viele Umwelt-Samples aufnehme – von Geräuschen wie dem Klicken einer Ampel, Grillen, Zirpgeräuschen oder metallischen Geräuschen. Diese Samples, die oft einen industrial Charakter haben, wie in Trenches, werden dann bearbeitet, oft mit Effekten wie Bitcrusher, um sie zu verzerren und eine neue Dimension zu schaffen. Viele Sounds, die man im Alltag hört, werden durch Modulation und Manipulation in etwas anderes verwandelt, um die Stimmung zu verstärken.
Ich mag das Experimentelle sehr. Ich denke, es ist Musik für Intellektuelle. Ich glaube, man braucht schon einen gewissen IQ, um zu verstehen, was genau ihr macht und dann muss man auch noch einen Zugang dazu finden.
Ja, definitiv. Wir haben auch das Gefühl, dass die EP nicht sofort verständlich ist, und viele Hörer brauchen vielleicht auch mehr Kontext, um sie richtig zu erfassen. Es ist auch nicht unser Ziel, die breite Masse zu erreichen, sondern die Menschen, die sich auf die Musik und die Botschaften dahinter einlassen wollen.
Vielen Dank Alex.
Mehr zu dem Projekt sharpened.lives findet ihr in den Socials.
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