Wie nimmt man eigentlich von einem Rockstar Abschied? Genau diese Frage stellte sich die Metal-Welt, als Hämatom nach dem viel zu frühen Tod ihres Bassisten West zum großen West Fest nach Geiselwind einluden. Was dort in der Halle geschah, war weit mehr als nur ein Konzert. Es war eine emotionale Achterbahnfahrt, ein Zusammenkommen von Fans, Freunden und Wegbegleitern, die einem der prägendsten Musiker der deutschen Metal-Szene Tribut zollten. Der Abend stand unter dem Zeichen von Trauer, Dankbarkeit und einer unbändigen Energie, die nur Musik entfachen kann.
Ein Hexenkessel voller Gefühle
Schon beim Betreten der Halle lag eine spürbare Spannung in der Luft. Der Ort, der sonst für ausgelassene Festivals und durchgeschwitzte Nächte steht, verwandelte sich in einen Hexenkessel der Gefühle. Zwischen Tränen und Lachen entstand eine Atmosphäre, die jeder im Publikum sofort aufsog. Das Intro machte klar, dass dies kein gewöhnliches Metal-Konzert werden würde. Wegbegleiter von West erzählten kleine Anekdoten, erinnerten sich an gemeinsame Tour-Erlebnisse und an Momente, die ihn so einzigartig machten. Mal wurde gelacht, mal gekämpft, um nicht in Tränen auszubrechen.
Für uns als Fotografen war es ein intensives Erlebnis, so nah am Geschehen zu stehen. Der Blick ins Publikum verriet, wie sehr West allen fehlte. Besonders Nord und Ost von Hämatom standen zu Beginn sichtbar unter dem Eindruck des Verlustes. Die Maske, die sonst ihre Fassade zur Bühne hin darstellt, konnte nicht verbergen, wie schwer es ihnen fiel, an diesem Abend die richtigen Worte zu finden.
Als der Sänger schließlich zum ersten Mal ans Mikro trat, eröffnete er mit den drastischen, aber ehrlichen Worten: „Es ist Scheiße, dass ihr heute alle hier seid.“ Eine Aussage, die zunächst schockte, aber in ihrer Direktheit genau das ausdrückte, was jeder dachte: Der Anlass war furchtbar, aber die Zusammenkunft war notwendig und richtig.
Musikalische Gänsehaut und starke Symbole
Ein ganz besonderer Moment des Abends war der Schaukelstuhl auf der Bühne. In ihm lag die Maske von West, geschmückt mit Rosen, die sanft hin- und herschaukelte. Dieses Bild hatte eine unglaubliche Symbolkraft und vermittelte das Gefühl, dass West auf seine Weise anwesend war. Es war ein starkes visuelles Zeichen, das wohl niemanden im Raum kaltließ.
Im Verlauf des Abends betraten zahlreiche Gastmusiker die Bühne. Bekannte Bassisten und Sänger aus der Rock- und Metal-Welt wechselten sich ab und verliehen jedem Song ihre persönliche Note. Namen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, doch eines war klar: Alle kamen mit dem Herzen, um West zu ehren. Jeder einzelne Beitrag machte den Abend einzigartig und verstärkte das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.
Die Setlist spannte den Bogen von kraftvollen Metal-Hymnen bis zu ruhigen, fast intimen Momenten. Immer wieder brandete das Publikum in Sprechchöre für West aus, ein Klangteppich, der die Halle erzittern ließ. Die Songs hatten plötzlich eine neue Bedeutung, sie wirkten tiefer, schwerer und gleichzeitig tröstlicher.
Zwischendurch wurden Videoeinspielungen gezeigt, die West auf und hinter der Bühne zeigten. Alte Touraufnahmen, Backstage-Szenen, kurze Interviewschnipsel. Diese Momente machten klar, dass er nicht nur ein Bassist war, sondern ein Freund, ein Bruder, ein Mensch, der Spuren hinterlassen hat.
Als Fotograf erlebte ich selten eine Show, die so viel Emotion in Bildern einfing. Tränen, Fäuste in der Luft, Umarmungen zwischen Fremden – alles war Teil eines Abends, der Geschichte schrieb.
Ein Vermächtnis, das bleibt
Das West Fest war nicht nur ein Konzert, es war eine Manifestation dessen, was Musik leisten kann. Sie vereint, sie heilt, sie erinnert. Hämatom und ihre Gäste schufen ein Vermächtnis für West, das weit über diesen Abend hinausstrahlt. Jeder Besucher nahm etwas mit nach Hause, sei es Trost, Erinnerungen oder das Bewusstsein, dass man einen außergewöhnlichen Menschen verabschiedet hatte.
Besonders beeindruckend war der Zusammenhalt. Fans, die sich sonst bei Metal-Festivals in den Moshpit stürzen, standen hier Schulter an Schulter, hielten sich gegenseitig, wenn die Emotionen zu groß wurden. Es war, als hätte die gesamte Szene kollektiv entschieden, für ein paar Stunden alles andere beiseitezuschieben und sich ganz diesem Moment hinzugeben.
Am Ende des Abends war klar: West wird nie vergessen. Hämatom haben es geschafft, aus einem schmerzhaften Anlass ein Fest des Lebens zu machen. Ein Fest, das zeigte, dass wahre Legenden nicht sterben, sondern in der Musik und den Erinnerungen weiterleben.
Für mich persönlich war es einer der intensivsten Konzertabende der letzten Jahre. Ein Abend, der mit einer Wucht traf, die man nicht planen kann. Ein Abend, der beweist, dass Musik die stärkste Sprache der Welt ist.


































