Am Samstag, dem 30. August 2025, rockte die gefeierte Linkin Park Tribute Band One Step Closer die Schlappeseppel-Bühne auf dem Stadtfest in Aschaffenburg. Paranoyd war live vor Ort, um das Spektakel zu dokumentieren und der grundsätzlichen Frage nachzugehen, warum man sich überhaupt eine Tribute-Band ansieht.
One Step Closer – A Tribute to Linkin Park
„One Step Closer – A Tribute to Linkin Park“, nachfolgend der Einfachheit halber kurz „OSC“ genannt, wurde im März 2017 in Aschaffenburg gegründet, und damit nur wenige Monate vor dem tragischen Tod von Chester Bennington. Initiiert wurde das Projekt von Bassist Michael „Nötschi“ Nötscher, der den Sound und die Leidenschaft von Linkin Park authentisch auf die Bühne bringen wollte. Der Bandname ist an den gleichnamigen Linkin Park Hit angelehnt und symbolisiert den Anspruch, dem Original so nah wie möglich zu kommen, technisch wie emotional.
Nötschi, der im normalen Leben Deutschlehrer ist, jobbte während seines Studiums in einem renommierten Aschaffenburger Musikgeschäft. Dort lernte er Stefan Peil (Drums) und Attilio „Atty“ Messina (DJ/Sampler) kennen. Als das Projekt allmählich Gestalt annahm, kam Marco Guadalupe Mercado (Rap/Vocals) dazu. Der Amerikaner, der nebenbei beachtliche Porträts von American Football Spielern malt, füllt perfekt die Position seines musikalischen Vorbilds Mike Shinoda aus. Und er brachte auch gleich Johannes Schönlein mit, der seither bei OSC Gitarre spielt. Die Suche nach einem geeigneten Sänger erwies sich jedoch als schwierig.
Das dürfte in Anbetracht der unglaublichen Range von Chester Bennington nicht überraschen. Es fanden sich zunächst nur Leute, die zwar singen, aber nicht shouten konnten. Und als man dachte, man habe endlich den Richtigen gefunden, ließ dieser die Generalprobe vor dem ersten Gig platzen. Doch was lange währt, wird endlich gut: Schließlich stieß man auf Lukas Beck, der sowohl die sanfte als auch die raue Seite von Chesters Repertoire überzeugend bedienen kann. Anfang 2025 kam dann Eva Opalla zur Band, um den Part von Emily Armstrong zu übernehmen. Eva und Nötschi sind alte Bekannte: Sie musizierten einst gemeinsam in einer Hochzeitskapelle, in der sie jedoch deutlich ruhigere Töne anschlugen.
OSC haben dankenswerterweise nicht den Anspruch, dem Original auch optisch möglichst nahe zu kommen. Ganz im Gegensatz zu jenen Tribute Bands, die die Wahl ihrer Oberbekleidung, ihrer Instrumente und ihrer Frisuren vom aktuellen Stand ihrer musikalischen Vorbilder abhängig machen. Dann werden in der Regel noch die Gesten und die Mimik des Originals einstudiert und detailgetreu reproduziert. Und die echten Überzeugungstäter lassen sich sogar die entsprechenden Tattoos stechen. Bei derartigen Abziehbildchen besteht die Gefahr, dass sie ungewollt ins Karikaturenhafte abdriften. OSC geben sich hingegen bewusst eigenständig und zeigen sich so, wie sie auch im Alltag sind.
Warum sollte man sich eine Tribute-Band ansehen?
Wer braucht eigentlich eine Tribute-Band? Diese Frage stellen sich viele Musikfans, oft mit einem skeptischen Unterton. Schließlich gibt es nur ein Original. Warum also zu einem Konzert gehen, bei dem bekannte Songs nachgespielt werden, anstatt die alten Aufnahmen von Linkin Park auf der heimischen Couch zu genießen? Doch wer OSC einmal live gesehen hat, versteht sofort: Leidenschaft kennt keine Urheberschaft. Was OSC auf die Bühne bringen, ist mehr als bloßes „Nachspielen“: es ist gelebte Hingabe an die Musik, die eine ganze Generation geprägt hat. Ihre Shows sind aufwändig inszeniert: mit gewaltigen Lichtanlagen, präziser Lasershow und überraschenden Effekten wie Konfettikanonen und Ballons.
Professionelle Performance auf höchstem Niveau
Alles wirkt durchdacht und auf einem Level, das viele Originalbands alt aussehen lässt. Die Band nimmt ihr Publikum ernst und gibt sich nie mit halben Sachen zufrieden. Hier stehen nicht einfach Musiker auf der Bühne, sondern Fans, die mit Hingabe und großer Sorgfalt das musikalische Erbe weitertragen. Das Publikum erlebt keine Kopie, sondern eine authentische Hommage mit Gänsehautgarantie.
Dieser Anspruch kann allerdings mit den üblichen Gegebenheiten auf einem Stadtfest kollidieren. Es spielen mehrere Bands, zwischen den Sets ist jeweils nur eine kurze Umbaupause, und der Soundcheck beschränkt sich auf zwei Schläge auf die Snare und drei Tritte auf die Bassdrum. OSC blieben im Eifer des Gefechts diesmal nicht ganz von technischen Problemen verschont: bereits vor dem ersten Takt verursachte die umfangreiche und energiehungrige Technik einen Stromausfall. Und die Gesten der Musiker zeigten, dass auch der Tonpegel auf den In-Ears eingangs noch verbesserungswürdig war.

Den ersten Block bildeten Papercut, Given Up und Bleed it out. Anschließend kam Eva auf die Bühne. Bereits zuvor verlangte ihr vermutlich größter weiblicher Fan lautstark mit anrüchigen Gesängen nach ihr. Es folgten The Emptiness Machine, What I’ve done und Somewhere I belong. Jetzt wurde deutlich, was OSC im Vergleich zu anderen Linkin Park Tribute Bands auszeichnet: das Triumvirat aus Eva, Lukas und Marco. Alle drei sind auf ihre Art charismatisch, wenngleich sie sich in ihrem Wesen und Werdegang doch deutlich unterscheiden:
Erzieher Marco ist vor dem Auftritt in seinem persönlichen Tunnel. Er läuft tief in Gedanken versunken auf und ab und visualisiert möglicherweise noch einmal vor seinem geistigen Auge, was da gleich vonstattengeht. Auf der Bühne ist er dann cool und souverän. Er rappt, er gestikuliert, er holt das Publikum ab. Eva hingegen ist studierte Sängerin und Gesangscoach. Als gesangliche Aufwärmübung darf es bei ihr auch mal eine Arie sein. Aber wenn sie dann die Bühne betritt, wird die Königin der Nacht zu Lizzy Hale. Rockröhre statt Klassikgeflöte.
Und Lukas? Er ist Autodidakt, hat sich lediglich ein paar Gesangstipps von Eva geben lassen. Aber was ihm an Technik fehlt, macht er mit Leidenschaft wett. Wenn das Spotlight angeht, öffnet er seinen Brustkorb und ergießt sein Herz ins Publikum. Maßhalten versteht er nicht. Wenn die Show fertig ist, ist auch er fertig.
Das klangliche Fundament bildeten wie gehabt Nötschi am Bass, Johannes an der Gitarre und Atty am DJ-Pult. Lediglich Stefan war diesmal verhindert, sodass Felix für ihn an den Drums einsprang, und er machte einen hervorragenden Job. Auch hier zeigte sich wieder das Level an Professionalität: für jeden Musiker gibt es einen festen Ersatz, der bei Bedarf einspringen kann. OSC spielen mittlerweile 25–30 Shows im Jahr, da muss für jede Eventualität vorausgeplant werden. The show must go on.
Besonders stimmungsvolle Momente gab es, als Lukas bei One More Light inmitten des Publikums sang, angeleuchtet von den Handylichtern der Zuschauer, und als Eva anschließend alleine Lost am Piano darbot, während dichter Nebel um ihre Beine waberte. Der Spannungsbogen reichte von solchen sanften Balladen über Kracher wie Numb/Encore, 99 Problems und Up from the bottom bis hin zu Heavy is the crown, und kulminierte schließlich in Welthits wie Crawling, bei dem der Autor immer ein wenig Sorge hat, dass Lukas’ letztes Stündlein geschlagen haben könnte, weil er sich bis an den Rand der Ohnmacht verausgabt.

Die Musiker waren ein wenig enttäuscht, dass die technischen Schwierigkeiten dem bandeigenen Perfektionismus einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Aber wie so häufig ist man selbst sein ärgster Kritiker. Das Publikum genoss die Show sichtlich in vollen Zügen und feierte die Band frenetisch. Es wurde lautstark mitgesungen und jeder Song mit anhaltendem Applaus gewürdigt. OSC haben sich ein treues Stammpublikum erspielt, dem es im Zweifel vollkommen egal ist, ob jeder Effekt auch planmäßig zündet. Bei allem Aufwand, den die Band treibt, um ihr Publikum zu unterhalten: am Ende des Tages sind es doch die Musik und die Performance, die den Ausschlag geben. Und beides war an diesem Abend über jeden Zweifel erhaben.
Leidenschaft statt bloßer Reproduktion
OSC sind mehr als eine Coverband: sie schlagen eine musikalische Brücke zwischen dem Vermächtnis Chester Benningtons und der neuen Ära von Linkin Park. Mit detailverliebten Shows, starken Live-Performances und kontinuierlichem Wachstum gehören sie zu den prägnantesten deutschen Tribute Bands. Wer das Feeling von Hybrid Theory bis From Zero live erleben will, sollte eine OSC-Show nicht verpassen. Die Termine für 2026 sind schon fix. Es stehen erstmals auch Shows im Ausland an. Und für die Zukunft wollen OSC große Festivals ins Visier nehmen. Onwards and upwards!




















