Ein grauer Herbstabend in Stuttgart, das LKA Longhorn ist für einen Mittwochabend gut gefüllt. Rund 600 Fans sind gekommen, um Lacuna Coil beim Deutschland-Auftakt ihrer „Sleepless Empire“-Tour 2025 zu erleben. Nicht ausverkauft, aber mit spürbarer Erwartung in der Luft. Für mich ist es das erste Mal, dass ich die Mailänder Gothic-Metal-Ikonen live sehe, und schon beim Betreten des Saals liegt diese typische Mischung aus Spannung, Vorfreude und einem Hauch Nostalgie in der Luft.
Nonpoint eröffnen den Abend mit einer ordentlichen Portion Energie. Die US-amerikanische Nu-Metal-Band aus Fort Lauderdale, Florida, ist seit den späten Neunzigern aktiv, und das merkt man. Druckvolle Riffs, präzise Grooves, viel Bewegung auf der Bühne. Für einen Support spielen Nonpoint erstaunlich lange und schaffen es mühelos, das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Die Stimmung im LKA ist danach spürbar gelöster, genau das richtige Warm-up für den Hauptact.
Dann fällt das Licht. Kein dichter Nebel, kein großes Intro, aber ein atmosphärisches, fast filmisches Lichtkonzept, dominiert von Rot- und Blautönen. Fotografen mögen über den Rotstich fluchen, für die Zuschauer erzeugt er jedoch eine dichte, passende Stimmung. Cristina Scabbia tritt im roten Kleid mit Lederelementen auf, elegant und fokussiert, während Andrea Ferro mit seiner dunklen Präsenz den Kontrast liefert.
Musikalisch setzen Lacuna Coil auf eine ausgewogene Mischung aus neuen und älteren Songs, ohne dabei in Nostalgie zu verfallen. Das neue Album „Sleepless Empire“ steht klar im Zentrum: moderner Gothic Metal mit elektronischen Elementen, druckvoll, düster, aber auch überraschend zugänglich. Die Doppelstimme von Scabbia und Ferro bleibt das Markenzeichen. Ihre Gegensätze verschmelzen live zu einer intensiven Dynamik, die das Publikum fesselt.
Der Sound im LKA ist wuchtig, aber klar. Die tiefen Growls von Ferro treffen auf Scabbias klare, melodische Linien, während Bassist Marco Coti Zelati das Fundament legt und Gitarrist Diego Cavallotti präzise Akzente setzt. Drummer Richard Meiz hält das Ganze mit treibender Energie zusammen. Alles wirkt konzentriert, eingespielt und auf den Punkt.
Zwischen den Songs gibt es nur wenige Worte, keine langen Ansagen, keine ausschweifenden Erklärungen. Lacuna Coil wirken fokussiert, fast filmisch in ihrer Präsentation. Die Visuals auf der Leinwand und das teilweise minimalistische Bühnenbild lassen Raum für das Wesentliche: die Musik.
Obwohl das Konzert mit etwa 600 Besuchern nicht ausverkauft ist, entsteht eine dichte, respektvolle Atmosphäre. Das Publikum hört aufmerksam zu, applaudiert mit Nachdruck und feiert die Band auf eine stille, aber ehrliche Weise. Keine übertriebene Euphorie, dafür echte Wertschätzung.
Am Ende des Abends bleibt der Eindruck eines souverän gespielten Auftakts. Lacuna Coil zeigen, warum sie seit über 30 Jahren fest im internationalen Gothic- und Modern-Metal-Kosmos verankert sind. Ihr Sound wirkt reifer, detailreicher und atmosphärischer, ohne die DNA zu verraten, die sie einst aus der Mailänder Undergroundszene an die Weltspitze brachte.
So endet der Deutschland-Auftakt der „Sleepless Empire“-Tour 2025 mit einem klaren Statement: Lacuna Coil bleiben eine Band, die sich nicht wiederholt, sondern sich mit jeder Ära neu erfindet!
Lacuna Coil
NonPoint
