Es war ein Dienstagabend, der sich anfühlte wie ein Freitag. Rund 1.000 feierwütige Fans hatten sich am 09. September 2025 im LKA Longhorn in Stuttgart versammelt, um die Rückkehr von Heisskalt auf der Bühne ihrer Heimat zu erleben. Eigentlich hätte das Konzert in der Liederhalle stattfinden sollen, doch aus produktionstechnischen Gründen wurde die Show ins LKA Longhorn verlegt. Ein Glücksfall, denn genau hier, im Dezember des vergangenen Jahres, hatte ich diese brachiale Band für mich erstmals entdeckt. Und wer Heisskalt kennt, weiß: in einem Club wie dem LKA Longhorn entfalten ihre Songs eine Intensität, die in größeren Hallen oft verloren geht.
Nikra als Support – „Irgendwas mit Punk“
Den Anfang machte Nikra, die sich in der Szene in kürzester Zeit einen Namen erspielt hat. Ihr Auftritt dauerte eine gute halbe Stunde, doch in dieser kurzen Zeit zeigte sie, wie viel Energie in gitarrengetriebener Rockmusik steckt, wenn sie mit Haltung und Haltungslosigkeit zugleich performt wird.

Nikra versteht sich als Sprachrohr einer entrechteten Generation – queer, antifaschistisch, laut, progressiv und kompromisslos politisch. Ihre Texte sind poetisch und direkt zugleich, mal wütend, mal selbstreflexiv, doch fast immer mit einer klaren gesellschaftspolitischen Botschaft. Oder, wie sie es selbst auf den Punkt bringt: „Irgendwas mit Punk. Gitarrengetriebene Rockmusik, mit dem, was ich zu sagen habe.“
Treffender lässt sich ihre musikalische Haltung kaum beschreiben. Die Stuttgarter Fans nahmen sie sofort an, es brauchte keinen langen Anlauf, um das Publikum in Bewegung zu bringen. Ihre raue, ehrliche Präsenz passte perfekt als Einstimmung auf das, was mit Heisskalt folgen sollte. Spätestens beim gemeinsamen Song „Nicht anders gewollt“, den sie später noch mit Heisskalt performte, war klar: Das Zusammenspiel zwischen Nikra und Heisskalt ist mehr als nur eine zufällige Kooperation.
Heisskalt live in Stuttgart – Gänsehaut schon beim ersten Song
Als schließlich das Licht im LKA Longhorn gedimmt wurde und die ersten Töne von „Alle Zeit“ erklangen, lag eine erwartungsvolle Spannung im Raum. Schon das Intro jagte Gänsehaut über den Rücken. Doch das war nur der Anfang. Es fühlte sich an wie ein vorsichtiges Antasten, wie Stuttgart beim Heimspiel reagieren würde.
Mit „Nacht ein“ folgte der erste laute Kracher des Abends. Das Lichtdesign war dabei ungewohnt düster, fast schon mystisch. Ich konnte mich nicht erinnern, dass es bei der vergangenen Tour so dunkel gewesen war. Für die Fotografen sicher eine Herausforderung, für die Atmosphäre jedoch ein Glücksgriff. Heisskalt verstehen es, die Stimmung im Raum wie auf einer emotionalen Achterbahnfahrt zu steuern. Zwischen kathartischen Ausbrüchen und tiefgründigen Momenten schwankte die Dramaturgie, und genau darin liegt die große Stärke dieser Band.
Songs wie gemacht für Clubs
„Apnoe“ ist so ein Stück, das in einem Club einfach besser funktioniert als in jeder Arena. Der Song kam drückend, düster und brutal intensiv aus den Boxen – ein Klang, der die Wände des LKA Longhorns vibrieren ließ.
Als Frontmann Mathias Bloech die Entstehungsgeschichte von „Dezemberluft“ erzählte, wusste man sofort: Jetzt wird es noch gefühlvoller. Der Song entfaltete eine fast intime Stimmung, ein Handymeer an Lichtern erhellte den Raum, während die Band sich in die Melodie legte. Wer Heisskalt nur auf ihre aggressiven und lauten Momente reduziert, übersieht diese emotionale Tiefe, die live wie ein Magnet wirkt.
Gemeinsamer Song mit Nikra als Höhepunkt
Dass Nikra als Support dabei war, führte fast zwangsläufig zu einem besonderen Höhepunkt. Als die ersten Takte von „Nicht anders gewollt“ erklangen, betrat sie erneut die Bühne. Sie kam die Treppe herunter, während Mathias bereits den Einstieg sang. Was dann folgte, war eine perfekte Symbiose: Die düstere Grundstimmung, die zuvor wie eine Glocke über dem LKA schwebte, verwandelte sich in ausgelassene Ekstase.
Plötzlich sprang Mathias ins Publikum, ließ sich durch die Menge tragen und übergab das Mikro an Nikra, die den Song mit voller Energie weiterführte. Für einen Moment schien die Clubshow eher ein Punkfestival zu sein und das Publikum feierte ohne Reue.

Crowdsurfing, Eskalation und Setlist-Highlights
„Alles ist gut“ setzte diese Energie nahtlos fort. Statt waghalsiger Stunts vertraute Mathias ganz auf die Kraft seiner Stimme und die Dynamik der Band, die den Song in voller Lautstärke herausbrannte. Das Publikum verwandelte sich dabei in eine tobende Masse, die jede Zeile mitriss und den Refrain lauthals mitsang. Es war einer dieser Augenblicke, in denen man spürte, wie sehr Heisskalt ihre Fans mitreißen können. Aber genauso schnell wie sie den Adrenalinpegel nach oben treiben, wissen sie, wann sie das Tempo herausnehmen müssen.
Die Setlist war perfekt austariert: ein Wechselspiel zwischen kompromissloser Härte und emotionaler Tiefe. In der Zugabe legte die Band mit „Heim“ und „Teilchen“ zwei Songs nach, die wie ein melancholisches Nachglühen wirkten. Sie erinnerten daran, dass Heisskalt eben nicht nur eine Live-Macht sind, sondern auch Geschichtenerzähler mit einem Gespür für Zwischenräume, für das Unsagbare.
Fazit – Heisskalt im LKA Longhorn 2025
Wer an diesem Abend im LKA Longhorn dabei war, erlebte mehr als nur ein Konzert. Es war ein Heimspiel voller Intensität, Melancholie und wilder Ekstase. Heisskalt bewiesen erneut, dass sie längst größere Hallen verdient hätten – und gleichzeitig, dass ihre wahre Stärke in Clubs liegt, wo jeder Ton, jede Textzeile und jede Emotion direkt auf die Menge prallt.
Nikra als Support war das i-Tüpfelchen: Eine Künstlerin, die mit ihrer Direktheit und Punk-Attitüde perfekt ins Bild passte und der Show zusätzliche Tiefe gab.
Am Ende blieb das Gefühl, dass dieser Abend nicht einfach vorbeiging. Er brannte sich ein – als einer jener seltenen Konzertmomente, die man nicht nur erlebt, sondern im Nachhinein immer wieder durchlebt. Stuttgart hatte Heisskalt zurück, und die Band nutzte jede Sekunde, um klarzustellen: Das war nicht einfach ein Dienstag im September. Das war ein Statement!
Heisskalt
Nikra






































