Am 3. Mai veröffentlichte die Punkband G31 ihr Konzertalbum „G31 – Live auf St. Pauli“, aufgenommen im legendären Indra in der Großen Freiheit 64. Die Rocklounge berichtete ausführlich über dieses Album. Um mehr über die Band, den Punk und ihre Musik sowie ihre Texte zu erfahren, luden wir sie zu einem Interview ein. Matthias Peterhänsel und Christian Böttjer alias Der Captain nahmen sich die Zeit, um meine Fragen zu beantworten. Unser Gespräch drehte sich um Punkmusik, politisches Engagement, die aktuelle politische Lage sowie die Herausforderungen und Chancen der Musikindustrie und Streamingdienste.
Was hat Euch dazu gebracht, als Punkband G31 Punkmusik zu machen und was bedeutet Punk für euch persönlich?
Matthias Peterhänsel: Ich kann nach meiner eigenen Einschätzung nicht so gut spielen, aber für Punkrock hat es irgendwie immer gereicht und das hat dann halt am meisten Spaß gemacht. Ich bin musikalisch total offen und höre ganz Unterschiedliches – aber am meisten fühle ich mich schon bei Punk zuhause. Außerdem mochte ich das abseitige Image von Punk schon immer, auch wenn ich zumindest äußerlich nicht wirklich Punk war oder bin.
Christian Böttjer aka Der Captain: Als ich die ersten Punkbands wie SLIME, BUT ALIVE, DAILY TERROR, UK SUBS, THE CLASH und THE DAMNED mit 15,16 Jahren für mich entdeckte, da war auf einmal die ganze andere Musik überhaupt nicht mehr interessant für mich. Punkmusik hat so eine Energie und Power. Das hat mich total geflasht. Ich war schnell auch begeistert von den kritischen und auch politischen Texten und den klaren Ansagen von Bands wie SLIME. Die nahmen kein Blatt vor den Mund und sprachen mir mit ihren Texten aus der Seele. Ziemlich schnell bekam ich Bock, selbst Gitarre zu spielen und kaufte mir eine billige E-Gitarre. Ein Kumpel brachte mir die ersten Songs bei und ich merkte, so schwer ist Punkrock ja gar nicht. Punkrock bedeutet mehr als Musik. Punkrock ist eine Lebenseinstellung. Wie stand es mal passenderweise auf einem alten T-Shirt der Berliner Punkband SCATTERGUN „Punkrock is not a Fashion, it is an Attitude to live“. Punkrock ist sein Ding durchzuziehen, sich nichts von anderen sagen zu lassen und das, was man tut, mit ganz viel Leidenschaft anzugehen. Jetzt mal vom Punkrock weg, finde ich es sehr schade, dass die ganzen Subkulturen irgendwie immer mehr am Aussterben sind. Schau Dich heutzutage mal auf einer Gesamtschule um, da gibts kaum noch Punks, Rockabilliys, Gothics oder Metaller. Wenn ich mich hier in meinem Heimatort mal umgucke und die Jugend sehe, da ist weit und breit keine Subkultur zu finden. Das finde ich sehr schade! Es kommen immer noch genügend Leute auf Punk-Konzerte, aber da sind halt auch viele alte Säcke wie wir im Publikum. Jetzt, bei unserem Auftritt letzte Woche auf dem GottseiPunk-Festival im Indra auf St. Pauli fand ich es sehr cool, dass total viele junge Punks vor der Bühne pogten und Spaß hatten. Manche kannten sogar unsere Texte.
Wie sieht euer typischer Songwriting-Prozess aus und welche Themen oder Botschaften sind euch denn wichtig, wenn ihr neue Songs schreibt?
Der Captain: Unterschiedlich. Wenn ich auf Gitarre Ideen für neue Songs habe, schicke ich diese meist zuerst zu unserer Sängerin Mitra. Die kann sich die Parts dann in Ruhe zu Hause anhören und schon mal Gedanken machen für einen passenden Text. So richtig entsteht der Song dann natürlich im Proberaum, wo jeder seiner Kreativität freien Lauf lassen und seine Ideen einbringen kann.
Welche Rolle spielt politisches oder gesellschaftliches Engagement in der Musik von G31 und glaubt ihr, dass Punk eine Plattform für soziale Veränderungen sein kann?
Matthias Peterhänsel: Wenn Punk nix verändern wollen würde, wer dann? Im Prinzip war Punk doch immer der Mittelfinger in Richtung Establishment, das muss unbedingt so bleiben. Wobei ich es auch lustig finde, dass jetzt teilweise die Punks staatstragend und „linientreu” sind, weil der Zeitgeist halt glücklicherweise in manchen Bereichen in den letzten 50 Jahren vom Fleck gekommen ist – aber dass Punkbands z.B. zu Coronaimpfungen aufgerufen haben, amüsiert mich auf einer Art schon, weil sie ja eigentlich aus Prinzip dagegen hätten sein müssen, war ja Staatsräson. Typen wie Friedrich Merz oder Söder oder das AfD-Geschmeiss muss man auf jeden Fall weiter hassen!
Der Captain: Ein Punkrock-Song ist perfekt dazu geeignet, die ganzen Missstände anzuprangern. Ob sich dadurch was ändert, sei mal dahingestellt. Die Songs können auf jeden Fall Denkanstöße sein. Viele Punk-Songs haben ihren Stammplatz auf Demos, sei es gegen Nazis, soziale Ungerechtigkeiten, Klimawandel oder wirtschaftliche Krisen.
Wie beeinflusst die aktuelle politische Situation weltweit eure musikalische und persönliche Perspektive?
Der Captain: Die Erfolge der AfD in diesem Land sind schon sehr bedenklich, genauso wie der Rechtsruck in Europa. Punkrock muss natürlich nicht politisch sein, aber finde es gut, wenn Bands klar Stellung beziehen und Klartext in ihren Texten sprechen. Unser Song „Zu schön für dich“ ist beispielsweise ein Anti-AfD-Song.
Matthias Peterhänsel: Wir leben ja nicht in einer Höhle, natürlich bekommen wir die politischen Verwerfungen in Deutschland und weltweit mit und ggf. findet das auch Eingang in unsere Werke. Ob das was ändert, keine Ahnung, aber es nicht zu probieren wäre feige. Ich finde, Mitra schafft es ganz gut, eine Haltung zu transportieren, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger rumzuwedeln.
Wie steht ihr zu aktuellen Entwicklungen in der Musikindustrie, insbesondere im Hinblick auf Streaming, soziale Medien und die Unabhängigkeit von Labels, und welche Auswirkungen haben diese auf eure Karriere und eure künstlerische Freiheit?
Matthias Peterhänsel: Ich persönlich bin voll digital unterwegs und streame fast ausschließlich. Ich hab auch keine Lust mehr auf Platten oder CDs, aber seit es MP3 und Streaminganbieter gibt, höre ich wieder viel mehr Musik und darum sollte es doch eigentlich gehen. Ich empfand das Anfang des Jahrtausends als großen Fortschritt, Musik ohne großen Aufwand verbreiten zu können und keinen Stress mit GEMA oder Kopierwerken zu haben. Streaming als Technologie ist für mich nur ein Werkzeug – dafür, dass es von Spotify und Konsorten missbräuchlich verwendet wird, kann die Technologie ja nix für. Ich bin halt kein Sammler und hänge mein Herz nicht an Dinge – finde es aber auch voll ok, wenn Leute das anders sehen. Ich kaufe halt Bandshirts oder anderen Merch, wenn mir ‘ne Kapelle gefällt.
Der Captain: Na ja, man muss schon mit der Zeit gehen und es bringt als Band wenig sich Streaming und sozialen Medien völlig zu verschließen. Es ergeben sich dadurch auch viele Möglichkeiten. Wobei ich sagen muss, dass ich eher oldschool bin und CDs und LPs sammele und das werde ich auch nicht aufgeben. Labels sind ein zweischneidiges Schwert. Der DIY-Gedanke ist natürlich auch fantastisch und man ist sein eigener Herr und muss sich nicht reinreden lassen. Es hängt, denke ich, auch davon ab, wie viel künstlerische Freiheit den Bands bleibt und wie viele Labels sich da einmischen. Unser erstes Album „Alles auf Null“ haben wir selbst ohne Label rausgebracht. Unser zweites Album „Die Insel der versunkenen Arschlöcher“ erschien auf LP und CD. Dabei haben uns Sterbt alle Records unterstützt, die die Songs allen Streamingplattformen zugänglich gemacht haben. Sterbt Alle Records betreibt mein Kumpel Gierfisch, mit dem ich übrigens seit 26 Jahren das Hamburger Punk-Fanzine Mind the Gap herausgebe. Zurück zu G31. Unser aktuelles Live-Album „Live auf St. Pauli“ ist mit Unterstützung von Bitzcore erschienen.
Welches ist das seltsamste Geschenk, das ein Fan euch jemals gemacht hat?
Der Captain: Puh, seltsamste Geschenk? Schwierig. Ich ändere es mal auf das coolste Geschenk und nicht von einem Fan, sondern von einer anderen Band. Wir haben Ende 2023 einen coolen Gig in Bremen gehabt mit der Bremer Punkband DGENERATE IDOL. Die Jungs haben so eine Tradition, dass jede Band, mit der sie zusammenspielen, einen selbst gemixten DGENERATE IDOL Trauben-Likör erhalten. Klasse Aktion!
Wenn eure Band ein eigenes Festival veranstalten würde, welcher verrückte Akt oder welche skurrile Attraktion würden auf der Bühne stehen?
Der Captain: Wenn wir als Band ein eigenes Festival auf die Beine stellen würden, dann würden da natürlich nur Bands spielen, die wir alle richtig geil finden! Es gibt mittlerweile so viele Festivals im ganzen Land, da ist es natürlich schwer hervorzustechen und was ganz Besonderes zu bieten. Ich würde es, glaub ich, toll finden, dann auch 1,2 Bands am Start zu haben, die es eigentlich gar nicht mehr gibt, die dann nur auf unserem Festival nochmal einen Gig spielen. Apropos Festival, da muss ich doch mal kurz einen Festival-Tipp abgeben. Wie schon erwähnt, bin ich Mit-Herausgeber vom Mind the Gap-Fanzine und wir veranstalten am 14.9. unser 3. Mind the Gap-Fest mit Arrested Denial, Restmensch, RICHIES, DÜSENJÄGER etc. im Bambi Galore in Hamburg-Billstedt.
Matthias Petershänsel: Keine Ahnung, Tex und Diggen (SLIME) singen zusammen “Wunder gibt es immer wieder” oder so….:)
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft eurer Band und worauf können sich eure Fans in den kommenden Monaten oder Jahren freuen?
Der Captain: Unser Plan ist auf jeden Fall noch in diesem Jahr unser 3. Studioalbum auf Bitzcore zu veröffentlichen. Für nächstes Jahr haben wir uns mal eine kleine Tour, vielleicht ein verlängertes Wochenende oder so in Ostdeutschland vorgenommen. Wir wollen auf jeden Fall noch viel live spielen und das am besten natürlich nicht nur in Hamburg und Umgebung, sondern viel mehr in der ganzen Republik. Wer Bock auf ein Konzert von uns hat, kann uns gerne anschreiben über unsere Facebookseite.
Mehr Informationen zur Band G31 findet ihr in den sozialen Netzwerken.
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